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Hund als Kinderersatz: Was die Wissenschaft über die neue Familienrolle unserer Vierbeiner verrät

Eine aktuelle Studie von Laura Gillet und Enikő Kubinyi von der Eötvös Loránd Universität Budapest zeigt einen faszinierenden gesellschaftlichen Wandel auf: Hunde nehmen in westlichen Gesellschaften zunehmend – immer häufiger wird dabei vom „Hund als Kinderersatz“ gesprochen. Während die Geburtenraten sinken, steigt die Zahl der Haushalte mit Hunden kontinuierlich an. Doch was steckt hinter diesem Phänomen und welche Rolle spielt dein Hund wirklich in deiner Familie?
Der gesellschaftliche Wandel: Weniger Kinder, mehr Hunde
Die Zahlen sprechen eine deutliche Sprache: Während die Geburtenraten weltweit von 5,3 auf 2,3 Geburten pro Frau zwischen 1963 und 2023 gesunken sind, erlebt die Hundehaltung einen regelrechten Boom. In Ungarn beispielsweise verbringen 87,5 % der Erwachsenen weniger als eine Stunde pro Woche mit Kindern – ein historisch einmaliges Phänomen.

Hund als Kinderersatz: Was sagt die Wissenschaft?
Die Forschung zeigt deutlich: 16 % der ungarischen Hundebesitzer betrachten ihren Hund als ihr Kind. In nicht-repräsentativen Studien liegt dieser Anteil sogar bei bis zu 37 %. Diese „Hundeparents“ verwöhnen ihre Vierbeiner mit selbstgemachten Leckerlis, feiern Geburtstage und behandeln sie wie geliebte Familienmitglieder.
Doch warum passiert das? Die Studie erklärt: „Humans are assumed to be cooperative breeders, meaning that they assist each other in childrearing, regardless of genetic relationships (Hrdy, 2009). Evolutionarily, alloparenting (care provided towards young that are not direct offspring) is considered a highly adaptive trait in humans. Therefore, nurturing, caring and proximityseeking behaviours might be essential to the emotional and social well-being of our species.“ Auf Deutsch: „Menschen werden als kooperative Züchter betrachtet. Das bedeutet, dass sie sich bei der Kindererziehung gegenseitig helfen, auch wenn sie nicht miteinander verwandt sind (Hrdy, 2009). Aus evolutionärer Sicht gilt Alloparenting (das ist die Betreuung von Kindern, die nicht die eigenen leiblichen Kinder sind) als sehr vorteilhafte Eigenschaft bei Menschen. Deshalb könnten fürsorgliche, liebevolle und nähe-suchende Verhaltensweisen entscheidend für das emotionale und soziale Wohlbefinden unserer Art sein.“
Die kulturelle Evolution der Hundehaltung
In unserer modernen Gesellschaft haben sich die ursprünglichen Funktionen der Hundehaltung grundlegend gewandelt. Während Hunde früher hauptsächlich als Arbeitshelfer dienten, erfüllen sie heute vor allem soziale Bedürfnisse. Die Forscher sprechen von einer kulturellen Evolution, die durch gesellschaftliche Veränderungen angetrieben wird.
Die Bindung zwischen dir und deinem Hund
Dein Hund kann tatsächlich eine ähnliche Bindung zu dir aufbauen wie ein Kind zu seinen Eltern. Gerade wenn der Hund als Kinderersatz eine wichtige Rolle in deinem Leben spielt, ist diese enge Beziehung besonders spürbar. Wissenschaftler haben das mithilfe des „Strange Situation Tests“ nachgewiesen, der ursprünglich für die Untersuchung von Mutter-Kind-Bindungen entwickelt wurde. Genau wie Kinder nutzen Hunde ihre Bezugsperson sowohl als sichere Basis als auch als sicheren Hafen. Das bedeutet, dass sie in deiner Anwesenheit mutiger und neugieriger ihre Umgebung erkunden, weil sie sich durch deine Nähe sicher fühlen. Gleichzeitig suchen sie bei Stress oder Gefahr gezielt deine Nähe, um Schutz und Geborgenheit zu finden. Deine Anwesenheit gibt ihnen also nicht nur den Mut, Neues auszuprobieren, sondern bietet ihnen auch Trost und Sicherheit in unsicheren Situationen.
Hundeerziehung vs. Kindererziehung: Überraschende Parallelen
Die Wissenschaft hat drei verschiedene Hundeerziehungsstile identifiziert, die denen bei Kindern verblüffend ähneln:
Stil | Merkmale | Auswirkungen |
---|---|---|
Autoritativ | Hohe Zuwendung + klare Grenzen | Bestmögliche Entwicklung |
Autoritär | Niedrige Zuwendung + strenge Kontrolle | Ängstliches Verhalten |
Permissiv | Hohe Zuwendung + wenig Grenzen | Verhaltensprobleme möglich |
Interessant ist auch, dass Menschen mit ihren Hunden sprechen wie mit Babys – in höherer Tonlage, mit kürzeren Sätzen und vielen Wiederholungen. Du möchtest noch mehr zum Thema Hundeerziehung wissen? Dann schau dir unseren Beitrag dazu an!
Warum Hunde so kindlich wirken

Das Geheimnis liegt im sogenannten „Baby-Schema“. Hunde besitzen von Natur aus kindliche Merkmale, die unser Fürsorgeverhalten aktivieren: Große Augen, runde Gesichter, eine hohe Stirn und kleine Nasen. Besonders brachyzephale Rassen (mit flachem Gesicht) wie Mops oder Französische Bulldogge verstärken diesen Effekt. Sie haben sogar einen speziellen Gesichtsmuskel entwickelt, der den berühmten „Dackelblick“ ermöglicht – ein Merkmal, das Wölfe nicht besitzen.
Die Abhängigkeitsbeziehung: Lebenslange Fürsorge
Im Gegensatz zu Kindern bleiben Hunde ihr ganzes Leben lang von ihrem Menschen abhängig. Du triffst alle wichtigen Entscheidungen für sie – angefangen bei den Fütterungszeiten und der Auswahl des Futters über die Gestaltung der Spaziergänge und die Möglichkeit zu sozialen Kontakten bis hin zur tierärztlichen Betreuung und den allgemeinen Wohnbedingungen. Diese permanente Abhängigkeit verstärkt das Gefühl, das „Elternteil“ eines ewigen Kindes zu sein.
Die emotionale und finanzielle Investition
Viele Hundebesitzer investieren beträchtliche Summen in ihre Vierbeiner. In einer US-Studie gaben 36 % der Befragten an, bereit zu sein, 4.000 Dollar oder mehr für die Rettung ihres Hundes auszugeben. Ein Viertel gibt sogar mehr für die Gesundheit ihres Hundes aus als für die eigene.
Grenzen der Kinderrolle: Wichtige Unterschiede
Trotz aller Ähnlichkeiten bleiben wichtige Unterschiede bestehen. Die Studie zeigt, dass die meisten Menschen in moralischen Dilemmata Menschenleben über Hundeleben stellen würden – selbst wenn es sich um ihren eigenen Hund handelt.
Worauf du achten solltest: Gesunde Hund-Mensch-Beziehung
Eine zu menschliche Behandlung kann deinem Hund schaden. Problematisch wird es vor allem dann, wenn du das Verhalten deines Hundes falsch interpretierst – etwa, wenn du ihm menschliche Gefühle wie „Schuldgefühle“ zuschreibst, die er so gar nicht empfinden kann. Auch das Erzwingen von körperlicher Nähe, beispielsweise durch Umarmungen oder Küsse, kann für Hunde unangenehm oder sogar stressig sein. Ebenso kritisch ist es, wenn Rasse-spezifische Bedürfnisse ignoriert werden und der Hund nicht entsprechend seiner natürlichen Veranlagungen gehalten wird.
Um eine gesunde Balance in der Beziehung zu deinem Hund zu finden, solltest du immer die artspezifischen Bedürfnisse deines Vierbeiners im Blick behalten. Dazu gehört, ihm angemessene Grenzen und Strukturen zu bieten sowie für ausreichend Sozialisierung mit Artgenossen zu sorgen. Der respektvolle Umgang mit der Hundenatur steht dabei immer im Mittelpunkt. Nur so entsteht eine ausgewogene Beziehung, in der sich dein Hund wohlfühlt und seine natürlichen Verhaltensweisen ausleben kann.
Fazit: Dein Hund als wertvolles Familienmitglied
Die Wissenschaft bestätigt, was viele Hundebesitzer längst wissen: Hunde können wichtige emotionale Bedürfnisse erfüllen und echte Familienmitglieder sein. Ob als Hund als Kinderersatz, bester Freund oder treuer Begleiter – die Beziehung zu deinem Hund ist einzigartig und wertvoll. Wichtig ist, eine gesunde Balance zu finden, die sowohl deine emotionalen Bedürfnisse erfüllt als auch das Wohlergehen deines Hundes gewährleistet. Denke daran: Die beste Beziehung zu deinem Hund entsteht, wenn du ihn als das liebst und respektierst, was er ist – ein wundervoller Hund mit eigenen Bedürfnissen und Eigenschaften.
Quelle:
Redefining Parenting and Family– The Child-Like Role of Dogs in Western Societie, Laura Gillet 1,2 and Enikő Kubinyi 1,2,3
1 Department of Ethology, ELTE Eötvös Loránd University, Budapest, Hungary
2 MTA-ELTE Lendület “Momentum” Companion Animal Research Group, Budapest, Hungary
3 ELTE NAP Canine Brain Research Group, Budapest, Hungary